Das Kind spricht keine Sprache richtig
Das Kind spricht keine Sprache richtig

Die Spielgruppenleiterin spitzt ihre Ohren, schaut Vivi mit grossen Augen an und fragt: «Was genau meinst du, Vivienne?» «Vivi sagt, sie möchte jetzt gerne malen!» übersetzt die ältere Schwester Charlotte. Wenn die Schwestern zusammen sind, funktioniert das Pack. Dass die Leiterin sie nicht immer versteht, scheint dem Kind nichts auszumachen. Fröhlich stapft sie in Richtung Tisch und Stühle wo ihr ein Blatt Papier und Farbstifte bereitgelegt werden.

Mehrsprachig aufwachsende Kleinkinder verstehen zwar, dass sie mit Oma und Opa die eine Sprache sprechen, mit Kindern auf dem Spielplatz oder der Spielgruppenleiterin eine andere, doch leider kommt es nicht immer wie gewünscht heraus. Natürlich ist es ein Vorteil für Kinder, mindestens zweisprachig aufzuwachsen. Sie müssen weder Vokabeln noch die Grammatik büffeln; reden fliessend und ohne Akzent. Sie haben nicht nur eine geschenkte Sprache, sondern auch ein flexibles Gehirn: Mehrsprachigkeit verändert unser Gehirn nämlich. Sowohl die Entwicklung der Sprachregion im Gehirn als auch die Steuerung und Unterdrückung von anderen Sprachen hat zur Folge, dass mehr Nervenzellen gebildet werden. Aber ist es nicht komisch, wenn ich mit meinem Kind in der S-Bahn Schweizerdeutsch spreche, dieses mir aber in einer anderen Sprache antwortet?

«Vivi, mit äm Mami duesch bitte nur Schwyzerdütsch redä, gäll!» ermuntere ich sie immer. Liebe Eltern: Mischt euer Kind auch mehrere Sprachen? Dann kann ich aus eigener Erfahrung nur entgegnen: im Kleinkindalter wird das Kind in der Fremdsprache eifrig drauflos plappern, wenn diese Sprache dem Kind nähersteht. Als unsere Mädchen zu sprechen anfingen, ordneten sie Gegenständen einfach den Begriff in der jeweiligen Sprache zu, in der sie das Wort zuerst gehört haben.

Wir sind flexibel

Wir sind ja flexibel, verstehen beide Sprachen, die Schwester hilft ja beim Übersetzen. Und doch möchte man nicht nur schweizerdeutsche Mutter-Kind Konversationen in der hellhörigen S-Bahn führen, sondern dem Kind auch eventuelle Enttäuschungen auf dem Spielplatz oder in der Spielgruppe ersparen. «Wötsch au äs Öpfelschnitzli, Vivi?» «Nei, ich wött eine Möhre!» Himmel! Hier kommt auch noch der Einfluss von Peppa Wutz hinzu! Hiiiiilfe!

Wenn wir schon bei Peppa Wutz sind: ist es niemandem aufgefallen, wie aufwendig es ist, Schweizerdeutsche Ton- oder Bildaufnahmen zu bekommen? Schweizerdeutsche Kinderliedersammlungen sind weder auf Apple-Music oder sonst auf einfache Weise online verfügbar, der reguläre CD Kauf überteuert. Wäre da nicht der «Chasperli» oder Prinzessin Lillifee’s Abenteuer mit Prinz Vladimir, würde es ganz schön Hochdeutsch aus unseren Lautsprechern ertönen.

Aufatmen, liebe Eltern, aufatmen! Die neulichen Spielgruppen- und Spielplatzbesuche zeigen, dass die Ängste unbegründet sind. Kaum ist unsere Vivienne auf dem Spielplatz, zieht sie Kinder in ihren Bann. Interessierte Kinder kommen auf sie zu, diskutieren in verschiedenen Sprachen, laufen zusammen dem Nachbarskätzchen hinterher, bewundern gemeinsam das weiche Fell und laufen in einem Grüppchen der langsam schlendernden Katze nach, die die Kinderhändchen auf ihrem Fell offenbar geniesst.

Enttäuschung, dass die Kinder unsere Vivienne nicht gleich verstehen? Das scheint sie gar nicht zu stören. Kommuniziert wird anderweitig.

Fazit

Die Sprache zu beherrschen ist eine Kunst, auf andere Zugehen zu können, eine andere. Das Rüebli in der S-Bahn wird schmackhaft vernascht, mitreisende Passagiere wagen es nicht, von ihrem Handy aufzublicken und die Dame auf dem Sitz nebenan schmunzelt. Alles halb so schlimm.

Herzlichst,

YoungMum

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