Welche Vorteile hat es, ein Einzelkind zu sein? Was bringen uns Geschwister? Im steten Kampf um die Gunst und Aufmerksamkeit der Eltern lernen Kinder viel fürs Leben, das ist unbestritten. Ermöglichen Eltern einem Einzelkind jedoch Bedingungen einer echten Gemeinschaft, in der es gut gedeihen kann, so braucht es nicht unbedingt Geschwister.
Die Vorteile als Einzelkind
Natürlich geniessen Einzelkinder jede Menge Vorteile. Spielsachen müssen nicht geteilt werden, man ist Mamas und Papas Liebling, hat ihre volle Aufmerksamkeit, man ist Alleinerbe, es gibt kein Gezanke und Geschrei zuhause, niemand stört das Verhältnis zu den Eltern (siehe dazu auch den Blogbeitrag zur Geschwisterrivalität). Freizeitaktivitäten sind als Familie einfacher, wenn nur ein Kind da ist, man kann Karriereziele besser verfolgen, die Kinderbetreuung strapaziert das Portemonnaie weniger und das Verreisen mit nur einem Kind ermöglicht aus finanzieller Sicht exotischere Fernziele. Einzelkinder sind durch die starke Unterstützung der Eltern ausserdem oft Gewinner, wie Sigmund Freud meinte:
«Wenn man der unbestrittene Liebling der Mutter gewesen ist, so behält man fürs Leben jenes Eroberergefühl, jene Zuversicht des Erfolges, welche nicht selten wirklich den Erfolg nach sich zieht.»
Die Vorteile, Geschwister zu haben
Ein Einzelkind setzt Eltern unter einen gesunden Druck, sich um das Wohl und die Zukunft des Kindes zu kümmern und somit über ein zweites Kind nachzudenken. Ein Kind braucht einen echten, ebenbürtigen Gefährten, kann diese Rolle ein Nachbarskind erfüllen? Mit Geschwistern gibt es viel zu lernen: Geschwister teilen, freuen sich zusammen, stehen füreinander ein, sie lieben sich, hassen sich auch mal, zanken sich, versöhnen sich wieder und sie müssen mit Eiversucht umgehen. Geschwister bereiten uns auch auf unsere späteren Beziehungen vor. Man streitet sich, lernt zu verhandeln und Konflikte zu lösen. Schliesslich steckt man ja in derselben Gemeinschaft fest. In der Jugend sind Geschwister Verbündete gegen die Eltern, decken sich gegenseitig und teilen Geheimnisse, um diese bald zu verraten. Im späteren Leben geben uns Geschwister ein zweites zuhause und das Gewissheit, dass wir nicht alleine sind.
Meine Schwester – meine beste Freundin
Ich stehe meiner zwei Jahre älteren Schwester sehr nahe. Wenn etwas wirklich Bedeutendes passiert, ist sie die Erste, die es erfährt. Sie gehört zusammen mit meinem Mann und meinen Eltern zu den Menschen auf der Welt, die mich so kennen, wie ich wirklich bin. Wir kennen Geheimnisse voneinander, die sonst nur unsere fünfzehnjährigen parfümierten Mädchentagebücher kennen. Da wir in verschiedenen Städten wohnen, können wir nicht immer persönlich da sein, wenn wir uns brauchen. Wir geben uns aber immer Halt, auch wenn es nur per Telefon ist.
Die Rolle der Eltern
Geschwister sind nicht immer beste Freunde. In unserer Verwandtschaft gibt es ein Beispiel eines Sohnes, der die grobe und lieblose Art seines Vaters abgeschaut hat und seiner jüngeren Schwester somit nie ein Vorbild war. Die Kinder mochten sich als Kinder nicht und stehen auch jetzt als Jugendliche kaum in Kontakt zueinander. Haben die Eltern versagt und ihren Kindern wichtige Werte wie Liebe, Rücksicht und Respekt nicht genug vermittelt? Gewiss spielen Eltern eine wichtige Rolle, vor allem im Umgang mit dem erstgeborenen Kind. Schaffen es Eltern nicht, dem Erstgeborenen auch nach der Geburt des Geschwisterchens die gleiche Liebe und Aufmerksamkeit zu geben, kann aus Frust und Enttäuschung über den vermeintlichen Verlust der elterlichen Zuwendung schnell Hass und Neid werden, der die Beziehung unter Geschwistern massgeblich prägt.
Endstation Einzelkind
In der heutigen Zeit, wo viele Eltern spät Kinder bekommen, reicht es manchmal einfach nicht mehr für ein zweites Kind. Schicksale wie z.B. Fehlgeburten können die Unbeschwertheit einer erneuten Schwangerschaft hinwegfegen. Eine Freundin von mir wurde mit 41 durch den langwierigen Prozess einer künstlichen Befruchtung schwanger, hatte eine anstrengende Risikoschwangerschaft und war überglücklich, als sie trotz Schwangerschaftsdiabetes und anderen gesundheitlichen Problemen einen kerngesunden Jungen zur Welt brachte. Als ich sie fragte, ob sie über ein Geschwisterchen für ihren Sohn nachdenke, meinte sie, dass sie ihr Glück nicht strapazieren wolle und dass sie spüre, dass sie nicht mehr 20 sei. Sie habe mit dem Gedanken abgeschlossen, nochmals Mutter zu werden und freue sich einfach an ihrem Sohn.
Die Persönlichkeit zählt
Wie Brigitte Bollinger in ihrem Buch über Einzelkinder beschreibt, ist es unfair, ein Kind danach zu beurteilen, ob es Geschwister hat oder nicht. Häufig ist die Beziehung mit den Eltern viel prägnanter, als die Beziehung zu Geschwistern. Geschwisterliche Solidarität im Leben erleben zu dürfen ist ein Geschenk, das nicht jedes Kind haben kann. Was zählt, ist was wir mit dem machen, was wir von unseren Eltern mit auf den Weg bekommen.
Herzlichst,
YoungMum